Neue Bremsen nötig …
Seit gestern macht meine hintere Bremse unangenehme Geräusche, so dass ich es so weit es ging vermieden habe, sie zu benutzen. Wo ist die nächste Werkstatt? Irgendwie scheint es in Cée eine zu geben. Das liegt auf dem Weg. Also wählen wir die Küstenstraße, fügen einen Abstecher ans Cabo de Nasa hinzu und schauen uns in Cée um. Aber da ist nichts. Die Recherche meldet eine Werkstatt in Muros, gut 40 Kilometer. Per Mail kündige ich uns an, in der Hoffnung, dass sie aufhaben und technisch mit meinem Rad zurechtkommen.
Morgens war die Herrnhuter Losung wichtig und passend: „Ihr habt gesehen, wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht.“
Exodus 19, 4
Auch hier nehmen wir wieder die Küstenstraße, um möglichst wenig bremsen zu müssen. Diese erweist sich als überraschend wenig befahren und landschaftlich ausgesprochen schön. Berge und Felsen reichen bis an die Strände, die Straße führt angenehm mit schönen Aussichten hindurch.

In Carnota suchen wir kurz den längsten Horreo, ohne Erfolg. Immer wieder Blicke über die Bucht aufs Cabo Fisterra. Kaffeepause in Lira, bevor die Landschaft und mit ihr die Straße den Bogen nach Osten und nach Muros nimmt.
Muros
Der Monteur in der Werkstatt schien uns tatsächlich erwartet zu haben. Seine fachkundige Analyse: die hintere Bremse ist erledigt, die vordere auch bald, die Pedale mit leichten Geräuschen würde „noch sechs Tage“ halten. Bei Andrea sind die Sachen noch soweit in Ordnung. Er würde eine halbe Stunde brauchen, gegenüber sei eine Bar. Und so wars dann auch. Das ist jetzt ein richtig gutes Gefühl.
Von meiner alten löchrigen Radler-Inlet-Hose wollte ich mich gestern am „Ende der Welt“ schon verabschieden, doch erst heute kann ich mich wirklich trennen. Neue Bremse, neue Hose.






Wieder in die Berge, Santiago nicht weit
Mittwoch, 13. September, Andrea hat von der Mühe geschrieben, in Santiago ein geeignetes Quartier zu finden, die Etappe wäre auch eher lang geworden, so haben wir uns 10 Kilometer vorher in Ames auf dem Land eingemietet. Ich sitze dort im Garten, blicke auf den Horreo direkt neben mir und auf die galicischen Berge dahinter, höre die Kinder der Gastgeber, und demnächst öffnet die Bar für eine Cerveza. Es sind sommerliche Temperaturen, ein leichter Wind streicht durch Feigen, Zitronen und andere Bäume und Sträucher.
Die Sonne geht hier derzeit gegen 8.15 Uhr auf, nach einem kleinen Frühstück am Hafen von Muros haben wir uns wieder für die Küstenstraße AC-550 entschieden, der wir über Esteiro, Serra de Outes (um die große Brücke auf der AC-554 zu vermeiden) und bis in die Nähe der Ponte Nafonso folgen. Dort geht der Fluss Tambre in die Ria Muros e Noia und damit ins Meer über.





Wir gedachten, noch im nächsten Dorf eine kleine Pause zu machen, aber wir fanden uns ziemlich schnell auf sehr (!) ruhigen Bergstraßen wieder, die nächste Bar gut 20 Kilometer und etliche Hügel und Wälder weiter in Negreira. Hier in Negreira sind wir auch wieder auf dem Camino Fisterra, also dem westlichen Abzweig des Jakobswegs. Pilgergruppen teilen unseren Weg bis Ames.
Wie weiter von Santiago?
Wir wollen morgen gleich nach Santiago fahren, zuerst zum Bahnhof und schauen, ob es Züge gibt, die auch Räder mitnehmen. Vermutlich gibt es solche Verbindungen nach Vigo weiter im Süden. Von den Plänen, die Schlucht „Gargantas der Sil“ zu besuchen, haben wir uns schon verabschiedet, mit der Bahn-Connection nach Vigo würde auch Ourense ausfallen, und wir wären schneller in Portugal, was uns gerade reizt.
Und als Zweites würden wir morgen die Catedral in Santiago besuchen. Wir haben beide das Gefühl, dass uns dies dann auch an Santiago-Besuch genügt. Also vielleicht sind wir morgen Abend südlich von Vigo am Meer und übermorgen in Portugal.

Santiago, Vigo, und wieder am Meer
Ja, so ists denn auch geworden. Heute Morgen auf unserem ex-Bauernhof in Ames war das Gras noch feucht, es gab Toast mit Öl und Tomatenmus (Jakob hat uns aufgeklärt, es sind geriebene frische Tomaten, echt lecker). Mit Pullover ging’s in den Morgen auf meist kleinen Straßen nach Santiago, erst zum Bahnhof. Die Fahrkarten mit den Rädern nach Vigo waren kein Problem, blieben gut drei Stunden Zeit für die Stadt.
In Santiago gibts hier und da Stufen hinauf oder hinunter, so haben wir uns rund um die Kathedrale auch an den Autos orientiert, um schiebbare Wege zu finden. Da muss ein wichtiger Besuch oder eine bedeutende Konferenz gewesen sein, viele schwarze Limousinen und Security, ein Hubschrauber kreiste die ganze Zeit.
Auf dem großen Platz vor der Kathedrale waren außer Bussen und Reisegruppen auch Pilger zu sehen, viele Abschiedsfotos, Selfies, insgesamt richtig viel los. Schlangen vor der Krypta. Die Kirche innen ziemlich gut gefüllt, Schlangen auch vor dem Zugang zum Jakob. Die Kirchenglocke, die Weihrauchwolken sind eindrücklich.
Und, wie war’s in Santiago?
Auf unserer Fahrt hierher sind wir so vielen Pilgern auf ihrem Camino nach Santiago begegnet, mit geschulterten Rucksäcken, bei Hitze und Regen, oft auf asphaltierten Straßen, mit sichtbaren Blessuren.
Wie ist das nun, ihr Ankommen nach so vielen Mühen? Es wirkt eher ruhig, Fotos und Selfies werden gemacht, lange Schlangen vor der Krypta, um der Jakobus-Statue in der Kathedrale von hinten die Hand auf die Schulter zu legen und einen ritualisierten Dank auszusprechen.
In den Seitenkapellen werden Seelsorge- und Beichtgelegenheiten in unterschiedlichen Landessprachen angeboten. Pilger, an diesem Morgen alle männlich, im Gespräch mit älteren Priestern oder Ordensleuten. Ich denk mir beim Vorbeiziehen, hoffentlich finden sie gute Seelsorger. Auf ihrem langen Weg wird manches aufgebrochen sein.
Wieder draußen auf dem Platz, endlich ein lauter Jubelschrei „Jippi, geschafft“. Getränkedosen werden geöffnet, angestoßen und fröhlich gefeiert. So habe ich mir das vorgestellt.
Und unser Ankommen: etwas gedämpft, weil ich auch ein wenig malade bin an diesem Tag und doch erfreut, hier in Santiago de Compostela zu sein. Doch das reale Erleben entmystifiziert den Sehnsuchtsort. Schöne Kathedralen gibt es auch anderswo und Santiago ist auch eine ganz normale Stadt mit MacDonalds und Benetton. Das Entscheidende ist wohl, den eigenen Camino zu gehen, das Ziel dagegen oft fiktiv…







Mit der Bahn nach Vigo
Der Zug nach Vigo kommt von A Coruna und fährt teils auf neuer Schnellbahnstrecke. Nach und nach eröffnen sich Blicke auf die Rias Baixas unterwegs. Wir kommen auch durch Padron, nach dem die leckeren Pimientos benannt sind und wo auch viele grüne Paprika in den Gärten und auf den Feldern zu sehen waren.
Von Vigo sind wir noch 20 Kilometer nach Süden die Küste entlang geradelt, zunächst sehr städtisch, dann mehr touristisch mit Stränden und zersiedelten Ortschaften. Andrea hatte kurzfristig (nach dem Zugticket-Kauf) in Nigran-Panxon ein Nachtquartier gefunden. Kurz vor Erreichen des Ziels gabs noch einen Platten. Und am Ziel auch ein schönes Bad im Ozean. Sommerlich.
Anmerkung der Redaktion
Für alle treuen Leser/innen des Blogs: die Fotos hinken häufig deutlich hinterher. Es lohnt sich, ab und zu mal durch ältere Beiträge zu klicken, weil da manchmal noch Nachlieferungen kommen.😀
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