Beira Baixa – die niedrige, „hintere“ Beira

Belmonte

Von der Serra da Estrela kamen wir heute hinunter nach Belmonte. Hier in dieser etwas abgelegenen Gegend (Beira Baixa) bewerben zwölf schöne Dörfer (oder Kleinstädte, wie Belmonte) ihre Attraktivität, es gibt einen verbindenden Wanderweg, einen Radweg, es gibt dort Quartiere und etwas Ordentliches zu essen. Linhares, wo wir zuletzt waren, gehört dazu, auch Belmonte.

Morgen und übermorgen wollen wir noch drei von diesen zwölf Dörfern besuchen. Belmonte macht natürlich seinem Namen alle Ehre, so schön, wie es auf dem Berg liegt. Dazu der Vollmond, der uns heute im Vorgarten der Vorstadt leuchtet. Doch Belmonte hat noch eine eigene, besondere Geschichte.

Als vor etwa 500 Jahren die spanische Inquisition ihre Aktivitäten gegen die jüdische Bevölkerung ausweitete, flohen viele Menschen jüdischer Tradition und Glaubens aus Kastilien und Aragon nach Westen. So kamen sie in diese abgelegene Gegend und fanden dort Raum zum Leben. Später wurde die Inquisition auch hier aktiv (Zwangstaufen, Gerichtsverfahren, Vertreibung), da entstand hier eine Gruppe oder Gemeinde von „Neuchristen“, die heimlich ihre jüdischen Traditionen weiter lebte. Die Mütter und Großmütter waren dabei tragend, und so ging es über Jahrhunderte.

Dann kamen Phasen von Auswanderung, Kontakten zum „offiziellen“ Judentum und von Neugründung. Heute gibt es eine moderne Synagoge, einige koshere Geschäfte und ein Museum zu dieser Geschichte.

Belmonte, Synagoge

Sortelha, Penamacor

Die Radtour heute beeindruckte durch ihre landschaftliche Vielfalt. Den ersten Abschnitt von Belmonte nach Sortelha ging es durch wilde Prairie mit großen Granitfelsen, die in der Gegend herumlagen. Den zweiten Abschnitt östlich von Sortelha gab es schöne Wälder und landwirtschaftlich aktive Dörfer. Dann wiederum standen wir oberhalb von Meimao auf einer Waldstraße weit oberhalb eines von Wäldern eingerahmten Stausees. Und schließlich nach Passieren der Staumauer wurden es intensiv meist mit Oliven bewirtschaftete Flächen.

Sortelha ist eines der zwölf portugiesischen Dörfer dieser Gegend von besonderer Schönheit. Wir parkten die Räder bei einer Wirtschaft mit kleinem Laden und machten uns zu Fuß auf den Weg. Das Dorf mit Kirche und Festungsruine liegt weithin sichtbar auf einem Felssporn, die großen Granitfelsen sind in die Fundamente der Gebäude integriert, an vielen Gebäuden wird gewerkelt und gebaut, wir sind nahezu die einzigen Besucher.

Sortelha

Viele dieser Dörfer und Städte haben ihre Geschichte als befestigte Grenzorte, sei es aus der Zeit der Auseinandersetzungen mit den Mauren, sei es in Abgrenzung zu Spanien.

Östlich des Stausees von Meimao gibt im Grenzland nach Spanien geschützte Berge und Wälder, in denen Luchse in freier Wildbahn leben. Wir haben diesen Naturpark gestreift. Reserva Natural da Serra da Malcata.

Meimao Stausee

Penamacor ist eine freundliche Kleinstadt, deren alter Kern wie gewohnt auf einem Berg liegt. Hier machen wir Station.

Unsere weiteren Planungen nehmen langsam Gestalt an, wir werden wohl ein wenig im nördlichen Alentejo unterwegs sein. Andrea hat eine Reliefkarte von Portugal anschaulich gemacht: Nördlich des Tejo ist alles voll mit Mittelgebirgen, südlich des Tejo (also im Alentejo) ist es lediglich hügelig. Und wir sind auch neugierig auf diese dünn besiedelte Gegend. – Wir haben nichts gegen Berge, aber jetzt ist (zumindest vorübergehend) erst einmal gut.

Monsanto und die Idanhas

Von Penamacor ging’s heute nach Süden, mit einer aussichtsreichen Schleife über Aranhas und Salvador nach Relva und Monsanto. Monsanto I: Monsanto ist trotz des Namens, der unsympathisch mit einem unsympathischen Konzern gleich lautet, ein zu Recht touristisches Highlight in der hinteren Beira. Monsanto II: Als wir den steilen Berg sahen, waren wir nicht ganz sicher, ob wir wirklich hinauf fahren wollten.

Blick auf Monsanto
Einige Kilometer vor Monsanto

Außerdem gab es Unsicherheiten in Bezug auf die Route. Naviki schlug eine zweifelhafte Weiterfahrt von Monsanto vor. Das wollten wir vor Ort entscheiden, wenn wir die Landschaft vor Augen hätten. Und je näher wir kamen, desto deutlicher wurde uns, dass Monsanto auf einem steilen Felsenzahn liegt und eine Herausforderung bedeuten würde.

Fahren wir erst einmal nach Relva, dem vorgelagerten Dorf schon in gewisser Höhe. Die Straße dorthin war gut, nicht zu steil. Wenn wir schon mal hier sind, lass uns ins Dorf hochfahren. Und dann schauen wir ein wenig zu Fuß. Wir kamen gut hoch bis zum Ortseingang, parkten die Räder und gingen zu Fuß weiter. Nur das Dorf anschauen, wir müssen ja nicht zur Burgruine hinauf. Usw. Schließlich waren wir ziemlich weit oben mitten in der Ruine – und es war einfach toll.

Kohlernte
Samstag in Monsanto, es wird Kohl geerntet

Monsanto war im Mittelalter eine der Festungen nach Osten hin, faszinierend zwischen und mitten in Granitfelsen angelegt. Und Dorf und Burg sind oben auf einem frei stehenden Inselberg, der wie ein Riesenzahn in der Landschaft steht.

Monsanto, Dorf von oben
Monsanto, Blick zurück
Blick zurück auf den „Inselberg“ Monsanto

Noch eine Stärkung in Relva am Platz, dann weiter untenrum (anders als Naviki) über Carroqueiro und winzigen, aber asphaltierten Straßen nach Idanha-a-Velha. Sowohl dieses Dorf als auch Monsanto zählen zu den schon benannten zwölf historischen Dörfern. Dieses ältere Idanha hat wohl eine bedeutende Geschichte, doch eine sehr schläfrige Gegenwart.

Auf dem weiteren Weg nach Südwesten wechselten Olivenbäume hin zu Eichen, unter denen Schafe, Ziegen und Rinder weideten, alles auf riesigen Flächen in Großgrundbesitz. Im großen Bogen ging es nach Idanha-a-Nova, unserer Station für die Übernachtung.

Im Süden der Beira Baixa zum Rio Tejo

Einige Dinge notiere ich noch neben diesem Blog. So haben wir diese Woche zwei persönliche Bestleistungen dieser Reise aufgestellt: es war zum einen die Woche mit den meisten Höhenmetern, zum anderen die kostengünstigste Woche. Wo sind da die Zusammenhänge?

Wie schon geahnt ging’s heute von Idanha durch reichlich abgelegene und sehr dünn besiedelte Gegenden. Mal gabs intensive großflächige und bewässerte Sonderkulturen, meist aber Oliven, Eukalyptus oder Eichen an trockenen Hängen. Ortschaften waren Ladoeira und Monforte da Beira. Danach ging’s zeitweise durch den Naturpark Tejo Internacional.

Neben und in der weitflächigen und immer eindrucksvollen Natur haben wir drei Stück Rotwild die Straße vor uns queren sehen, dann viele Adler, auch aus der Nähe. (Heike sagt, es waren Geier, na ja, jedenfalls ganz schön große Vögel.)

Geier

Nach Lentiscais ging’s hinunter zur Brücke über den Rio Ponsul, und weiter über Alfrivida und Perais nach Vila Velha de Ródao am Rio Tejo. Hier sind wir über Nacht.

Der Rio Tejo ist der längste Fluss der iberischen Halbinsel und tritt bei Vila Velha de Rodáo kommend aus einer breit fließenden und teilweise aufgestauten Phase in eine längere Gegend zwischen zwei Mittelgebirgszügen, landschaftlich also sehr reizvoll. Hier in Vila Velha de Ródao gibt es ausgesprochen schöne Wege am Fluss.

Wochenende!

Die Wochenenden sind auf unserer Reise eine spannende und herausfordernde Sache. Gleich am ersten Freitag unserer Reise landeten wir mitten im Dorffest in Beintza-Labaien in den baskischen Bergen. Am gleichen Wochenende erlebten wir in Vitoria das große Stadtfest mit der weißen Madonna.

Wenn die nächsten Wochenenden auch eher ruhig und normal waren, so wurde es doch in Portugal recht eindrucksvoll. In Viana do Castelo gabs am Freitagabend auf drei Bühnen Musik in der Stadt, am Samstag waren kultur-historische Stände, Gruppen, Musik auf dem Marktplatz zu erleben.

Von daher kam uns die Idee, doch auch an künftigen Wochenenden zu schauen, wo wir dann seien und ob es womöglich etwas mitzuerleben gebe. Am kommenden Freitag in Figueira da Foz war es ruhig, in Ponte de Lima war das Fest gerade vorbei, doch am Samstag drauf haben wir in Coimbra den Konzertabend der musikalischen Universitätsgruppen miterlebt.

Dann aber in der Beira Baixa mussten wir erleben, dass Wochenenden auch andere Ausdrucksmöglichkeiten haben. So der Samstagabend in Idanha-a-Nova, einer Kreisstadt ganz hinten im Osten. Von Google-Maps einigermaßen beraten zogen wir von unserem Quartier aus in die Stadt. Wir wussten schon, dass bei einigen Restaurants angegeben war: „öffnet Sonntag um 12 Uhr“. Doch war eine Auswahl übrig, die wir dann abgegangen sind.

Gut, es war noch vor der üblichen Öffnungszeit der Speiselokale, doch alle waren geschlossen. Zwei Gedanken begleiteten uns: 1. der Supermarkt in der Nähe des Hotels würde erst um 20 Uhr schließen, und 2. bis ganz in die untere Altstadt wollten wir nicht hinabgehen. – Doch es ging immer weiter hinunter.

Lass uns noch dieses eine versuchen, „Elana“ muss um diese drei Ecken sein, das müsste aufhaben. Idanha-a-Velha gab sich keine Mühe, irgendwo so etwas wie eine halbwegs gemütliche Altstadt zu zeigen. Gasse um Gasse, Jugendliche auf der Straße, auch Katzen, manche Straßenzüge etwas herunter gekommen, einfache alte Wohnviertel. Elana gabs immerhin, geschlossen, doch Licht brannte, mal sehen, es war erst kurz vor sieben.

Komm, da vorn gibts ein Bier, und dann schauen wir dieses Elana genauer an. Das Bier gabs vor und in einer Spelunke namens „Casa do Benfica em Idanha-a-Nova“, Männer, Zigaretten, Armut, afrikanische Menschen, auch der Wirt dunkelhäutig, sprach gut Englisch. Wir mussten ziemlich im Zentrum der Altstadt sein. Zur Not gabs noch den Supermarkt.

Dann: Das Elana gabs wirklich, wir bekamen einen Tisch, ein super Restaurant mit modernem Konzept, auch kleine Gerichte, auch vegetarisch, insgesamt regional und nachhaltig aufgestellt, mit uns viele junge Gäste, bald war es voll, das Essen war gut, die Leute waren nett, alles hat gestimmt. Wer hätte das gedacht?!

Wieder ein Wochenende!


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